Wie ich für meine Mutter ein Grabkreuz machen ließ
Oder: Wie der Waldbaum einmal ein keltisches Kreuz in Auftrag gab

Es ist schon einige Jahre her ....

Das Grab meiner Mutter sollte einen Grabstein erhalten. Bisher war da nur ein einfaches Holzkreuz gewesen.

Ich machte mich auf in die Kreisstadt Bühl - besser, in die ehemalige Kreisstadt Bühl.

Dort war eine Firma, die das inoffizelle Monopol für die Grabsteine auf unserem Friedhof hatte.

Jeder ging dahin, also auch ich.

Mein Plan war ganz klar: Ich wollte eines jener schönen keltischen Kreuze schaffen lassen, die ich in Irland und Schottland so gerne gesehen und bewundert hatte.

Jene Kreuze sind nicht eigentlich Grabkreuze, sondern eher Verkündigungskreuze.

Aber sie werden mehr und mehr auch als Grabkreuze gebraucht - und sehen auch da gut aus, wie ich finde.

Der Firmenchef in Bühl aber hatte noch nie von solchen Kreuzen gehört.

Und er hatte anderes im Sinn:

Er wollte mich davon überzeugen, doch besser einen jener standardmäßigen recht-eckigen schwarzen Grabsteine zu nehmen, die man überall sieht.

Damit kannte er sich eben aus.

Damit aber biss er bei mir auf Granit - bildlich und wörtlich gesprochen.

Der Firmen-Chef fertigte schon mal eine Skizze an für einen Grabstein an, fragte nach Namen und Daten meiner Mutter, und trug sie darauf ein.

Und dann fragte er gleich noch etwas ....

Der Firmenchef fragte nach Namen und Daten des Vaters. Der aber lebte damals noch.

Ich sagte, so halb zu mir und halb zu ihm: "Das ist aber makaber ...."

Der Firmenchef schrieb und zeichnete etwas.

Dann sah er auf und fragte: "Und wie ist der Familien-Name nochmal?"

Der gute Mann hatte wirklich und wahrhaftig gedacht, "Makaber" sei ein Vorname.

Der Vorname meines Vaters.

Und hatte ihn schon auf eine Zeichnung mit einem Grabstein eingetragen.

Ein wenig makaber, nicht wahr?

Darauf war mir klar: Dieser Mensch bekommt den Auftrag nicht!

Jener Makaber-Metz bekam meinen Auftrag also nicht.

Obwohl er das inoffizielle Steinmetz-Grabstein-Monopol für unser Städtchen hatte.

Ich fuhr nach Baden-Baden - à la recherche d' un Steinmetz capable.

Und geriet sofort an einen echten Künstler!

Erwünscht!

Jener Künstler war geradezu begeistert von der Idee, mal etwas anderes machen zu dürfen, als stets nur schwarze rechet-eckige Steine zu bestellen, irgendwo ein Eck abzuhauen, einen Namen reinzumeißeln, und dann diese Standardware für teuer Geld weiterzuverkaufen.

Er las sich ein in die Geschichte der keltischen Kreuze Irlands.

Wie hier zum Beispiel:

Zitat

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Die Hochkreuze High Crosses von Monasterboice sind herausragende Exemplare keltischer Kunst. Die Gravuren der Kreuze erzählen vermutlich die Geschichten des Evangeliums, die Darstellungen wurden dazu genutzt, die heilige Schrift zu erklären und zu unterrichten. Dort findet man Szenen, die an David und Goliath, Das Letzte Gericht oder die Kreuzigung Jesu erinnern. Man geht auch davon aus, dass die Kreuze bei ihrer Erschaffung farbig angemalt waren. Das Muirdach’s Cross, in der Nähe des Eingangs, wurde nach einem Abt benannt, der im 10. Jahrhundert in Monasterboice arbeitete.

Das verwitterte West Cross am Rundturm ist 6,5 m hoch, eines der höchsten Hochkreuze Irlands. Auch dieses Kreuz ist mit Inhalten aus den Evangelien verziert, beispielsweise die Auferstehung, die Taufe Jesu oder die Opferung von Isaak.

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http://www.visitirland.de/sehenswuerdigk...asterboice.html

Mein ursprünglicher Vorschlag war nun, eines jener Kreuze zu kopieren.

Aber der Künstler wäre kein echter Künstler gewesen, wenn er sich darauf eingelassen hatte.

Er wollte etwas Eigenes schaffen, und er schuf es.

Und als Stein wählte der Künstler den Diabas.

Nun gab es noch ein Problem zu lösen.

Das Kreuz, so wie der Künstler es geplant hatte, widersprach den Friedhofsregeln der Stadtt Baden-Baden.

Es war zu hoch!

Ein Orts-Termin wurde anberaumt.

Der Künstler fertigte ein Modell des künftigen Kreuzes, um es auf dem Friedhof dann einer eigens angereisten Kommission vorzustellen.

Selber war ich an jenem Termin leider verhindert.

Der Künstler berichtete mir anderntags davon.

Nun kommt der Bericht des Künstlers. Es war so:

Die angereisten Kommission war richtig begeistert von dem Kreuz gewesen.
Ja, so und nicht anders solle das Kreuz werden!

Es hätte nur noch gefehlt, dass die Kommission gefordert hätte:
"Machen Sie das Kreuz doch ruhig noch etwas höher!"

Zur Allerheiligen-Zeit sehe ich dieses Kreuz immer wieder
Und ich sehe es auch sonst immer mal wieder im Laufe des Jahres.
Und es ist wohl immer noch eines der schönsten Kunstwerke auf dem Friedhof meiner Heimat.

Habe ich schon erzählt, wie dieses Grabkreuz hier im Städtchen angesehen wird?
Einer der Honoratioren hier, also einer, dessen Wort etwas zählt, sagte, es sei das schönste Kunstwerk auf dem ganzen Friedhof.

Und der Künstler selber sagte, für alles Geld der Welt würde er das gleiche Grabkreuz nicht noch einmal machen. Ein wahrer Künstler eben. Ein Künstler schafft eben Einzelwerke - und keine Massenanfertigungen.

Noch etwas:

Eine Frau aus dem Städtchen wollte auch solch ein Grabkreuz dieser Art bestellen.
Sie ging mit einem Foto "meines" Kreuzes zu einem anderen Steinmetz hier in relativer Nähe.
Da sagte dieser Steinmetz: "Von diesem Kreuz hätten Sie uns kein Foto bringen müssen. Wir kennen es gut. Alle Steinmetze in der Gegend kennen es. Aber wir können so etwas nicht machen, keiner von uns ..."

Dieses Kreuz ist nun also sogar eine kleine Berühmtheit in Fachkreisen.