Eine Geschichte von Liebe und Streit in der Bretagne

In dieser Geschichte bin ich nun mal nur der Beobachter.
Ich war in jenen Streit nicht verwickelt.

Die Vor-Geschichte beginnt im Jahre 1945.
Und die eigentliche Geschichte spielt dann im Sommer 1969 im Departement Finistère an der bretonischen Atlantik-Küste.

@ Departement Finistère

Ich erkläre:
Ein Departement ist eine Verwaltungseinheit in Frankreich.
In der Größe etwa zwischen unseren Landkreisen und den Bundesländern.
So etwas wie ein kleines Bundesland - wie in etwa das Saarland

Und Finistère ist der Name eines bretonischen Departments.
Finistère bedeutet: "Ende der Welt!"
Und so ist es auch: Jene Gegend liegt ganz im Westen von Frankreich, also am Ende des früher bekannten Welt, bevor Amerika entdeckt wurde.

Die Geschichte beginnt im Jahre 1945.
Meine Heimat war damals französische Besatzungszone geworden.
Es gab Einquartierungen auch in unserem Städtchen.

Ein junger französischer Soldat aus der Bretagne war auch dabei.
Und mit der Zeit freundeten sich die Quartiergeber und der Soldat richtig an.
Der Kontakt blieb erhalten, auch als der Soldat wieder in die Bretagne und in sein ziviles Leben zurückkehrte.

Er kam zu Besuch, und lud auch immer wieder zum Gegenbesuch ein.
Aber jenes Ehepaar traute sich nicht.

Sie hatten kein Auto und sprachen nicht französisch.
Und Reisen nach Frankreich waren bei uns damals auch keineswegs alltäglich.

Im Jahre 1969 endlich dann wagte das Ehepaar diese Reise.
Denn:
Meine älteste Schwester hatte seit einiger Zeit ein Auto, und ich sprach einigermaßen französisch.
Und so machten wir vier uns eines schönen Sommertages im Juli auf die weite Fahrt quer durch Frankreich ans Ende der Welt: Nach Finistère in der Bretagne.

Nun, ich war dann der Dolmetscher für die anderen drei:
Für meine Schwester und jenes ältere Ehepaar, das der Anlass der Reise war.

"Wir vier" - hatte ich eben geschrieben.
Ja, wir vier im Auto meiner Schwester.

Aber meine Schwester hatte wiederum zwei weitere Leute eingeladen, die uns in ihrem eigenen Auto folgten. Das war ein anderes Ehepaar: der Mann war ein währschafter Schotte, die Frau war eine echte Berlinerin. Beide hatten sich in England kennengelernt und dort dann auch geheiratet.

Beide sprachen sehr gut französisch und waren welt-erfahren und weit gereist.
In der Bretagne aber waren sie noch nie gewesen, und sehr daran interessiert, mitzukommen.
Und meine Schwester dachte, die beiden könnten eine gute Unterstützung auf dieser Reise sein.

Es schien eine sehr gute Idee zu sein.
Aber sie war dann die Ursache für Liebe und Eifersucht und Streit in der Bretagne.
Selber war ich nur ein unbeteiligter Beobachter dieses Streites.

Die Erzählung der Fahrt lasse ich nun mal weg. Die habe ich im anderen Thread schon erzählt.
Nur so viel: Während der Fahrt gab es keinen Streit.

Streit und Eifersucht entwickelten sich erst mit der Zeit, nachdem wir ein paar Tage in Plouguerneau gewohnt hatten.

Und das "Objekt der Begierde" war unser Gastgeber, jener ehemalige französiche Soldat.

Inzwischen war er nun ein "Monsier L' Abbé" geworden.
Ein Pfarrer und ein währschafter Theologie-Professor.

Kurz gesagt, war es so:
Er vernachlässigte dann seine eigentlichen Gäste, jenes alte Ehepaar.
Und konzentrierte sich mehr auf die bildhübsche junge Frau aus Berlin.
Verständlich irgendwie, aber halt doch nicht so ganz in Ordnung ....

Wie auch immer:

Jener bretonische Pfarrer und die Frau aus Berlin kamen sich näher.
Wie nahe, das kann ich nicht beurteilen ...

Hier mal ein Vergleich der beiden Frauen:

Die Berlinerin war jung und bildschön, quicklebendig und lebenslustig, intelligent und gebildet, und weit gereist. Und: Sie sprach fließend französisch.

Die Frau, die eigentlich eingeladen war, und die in Deutschland quasi die Gastmutter des jetzigen Pfarrers gewesen war, konnte da schwerlich mithalten.

Sie war alt und wenig in der Welt erfahren. Und sie sprach nicht französisch. Der Pfarrer wiederum sprach deutsch nur mit Mühe und gebrochen.

So kam es eben dazu, dass der Pfarrer mehr mit der jungen Frau aus Berlin sprach ....

Und wenn die junge Berlinerin jenen Pfarrer mit ihren strahlend blauen Augen anblitzte, so war es wohl um ihn geschehen ...

Und ich:
Ich hielt mich aus dem beginnenden Streit heraus, so gut es ging.

Btw:

Ich war am Strande des Meeres selbst von den strahlend blauen Augen einer schönen jungen bretonischen Frau freundlich angeblitzt worden. So herzlich und freundlich, wie ich bis dahin noch nie von einer jungen Frau angelächelt worden war.

Es war wie im Märchen:

Der verachtete dritte Sohn eines Bauern gewinnt die Märchenprinzessin! Die Tochter des Königs!
Und sie war auch schon vom Namen her eine Königstochter.
Übersetzt bedeutete ihr bretonischer Name: "Tochter des regierenden Adlers!"
Und ihr Vorname war der Name einer berühmten bretonisch-keltischen Fee.
Ja, sie war der Inbegriff der Bretagne!
Was für ein Glück, dass ich sie getroffen habe!
Und jenes Treffen war dann der Beginn einer lebenslangen Freundschaft.

Zurück zum bretonischen Pfarrer und der jungen Frau aus Berlin:

Die alte Frau konnte einem leid tun.
Sie kannte den Parrer seit 1945 und war so etwas wie eine Mutter für ihn gewesen.
Nun hatte sie ihn nach langen Jahren tatsächlich einmal auf seine Einladung hin besucht.
Und sich sicher auf diese Zeit gefreut.
Ein wichtiges Ereignis in ihrem Leben.

Aber der Pfarrer ließ sie nun links liegen.
Es wurde immer schlimmer.
Die alte Frau kochte innerlich, wie ich vermute.
Und dann kochte sie einmal über und stellte den Pfarrer lautstark zur Rede.
Ich musste das von weitem mit anhören, ob ich wollte oder nicht.
Eine traurige Sache.

Was noch traurig war:

Der Pfarrer hatte noch gesagt:
"Wenn sie nur zu viert gekommen wären, so hätten sie jeden Tag mit uns zusammen auf dem Bauernhof essen können! Aber zu sechst: Das geht nicht!"

Sicher ist es verständlich, dass man nicht jeden Tag sechs zusätzliche Esser haben will.
Aber warum dann denn NIEMAND von uns?
War das die einzig denkbare Alternative?
Er hätte doch das alte Ehepaar einladen können?
Wir anderen hätten schon verstanden, dass er nicht täglich uns alle einladen kann.

Aber so musste das alte Ehepaar sich doppelt ärgern, dass da noch die Berlinerin und der Schotte dabeigewesen waren.

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Und: Dass die junge schöne Berlinerin dabei war, das hatte dem Pfarrer ja offenbar gefallen!

Schließlich kam der vereinbarte Tag der Rückkehr.
Das alte Ehepaar, meine Schwester und ich fuhren nach Hause zurück.

Der Schotte und die Berlinerin blieben noch ein paar Tage extra dort.
Ich vermute, nun hatte der Pfarrer und die junge schöne Berlinerin freie Bahn ...
Sei dem nun, wie es wolle, wir waren ja nicht dabei .....

Auf der Rückfahrt war dann ich durch meine Französischkenntnisse der "Chef" der Reisetruppe.
Und ich brachte alle quer durch ganz Frankreich und sicher nach Hause.
Und ich fand ein angenehmeres Hotel zum Übernachten als der Schotte damals auf der Hinreise gefunden hatte.

Bei aller Freude war das dann auch eine Spur ärgerlich.
Denn es zeigte sich, dass wir jene beiden welt-erfahrenen Globetrotter gar nicht gebraucht hätten.
Nun ja, hinterher ist man klüger ....

Aber trotz allem Ärger waren wir uns auch einig, dass die Zeit in der Bretagne wunderschön gewesen war - mit ein paar Ausnahmen.

Ende der Geschichte?
Noch nicht ganz.

Es kommt noch eine kleine Pointe.
Der Schotte und die Berlinerin fuhren dann in einem späteren Jahr wieder in die Bretagne, auf Einladung jenes Pfarrers.

Und wie das dann ablief, das erzählten sie mir dann, als ich sie dann später in Westfalen besuchte.