Larissa - eine Studentin aus Russland zu Besuch

Nun möchte ich noch eine kleine Geschichte erzählen, die mit "Southern Fried Chicken" beginnt.

Das sollte man vielleicht eher in den Südstaaten der USA vermuten.

Aber für mich hat "Southern Fried Chicken" in Perm eine besondere Bedeutung gewonnen.

Es ist die Geschichte meiner Begegnung mit Larissa.

Sie beginnt merkwürdigerweise mit einem jener typischen roten Doppeldeckerbusse, wie man sie oft in London sieht, aber eher weniger in Sibirien!

Es war so:

Schon immer war mir dieser rote Doppeldecker-Bus inmitten von Perm aufgefallen.

Er wirkte, als sei er eben per Fallschirm mitten aus London hierhergekommen!

Ich fand heraus:

Es war ein Werbegag für die Firma "Southern Fried Chicken".

Das ist eine Schnell-Imbiss-Kette in der Art von McDonalds, jedoch auf Hähnchen-Basis.

So eine Art Kreuzung von McDonalds mit Wienerwald!

Jedoch eher für das "bessere", sprich reichere Publikum, das sich in Rußland so einen Besuch leisten kann!

Eines Abends nun wollte es ein großer Zufall, dass ich dieses Lokal betrat.

Der erste in einer Reihe von Zufällen!

Der erste Eindruck war überwältigend!

Ich kam mir vor, als wäre ich meinerseits nun per Fallschirm mitten in London gelandet.

Die Dekoration war 110%-ig englisch!

Überall Poster mit englischen Motiven, und jede Menge original englische Straßenschilder - und diese typischen "tea-towels", die mehr zur Dekoration da sind als zum Geschirr-Abtrocknen.

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Es gefiel mir sehr da, und ich bestellte mir einen Wein.

Das ist selten in Rußland.

Doch das Restaurant führte einen guten Wein aus Georgien.

Es herrscht Selbstbedienung bei "Southern Fried Chicken", und so ging ich zur Theke, wo eine Reihe von Assistentinnen stand.

Und eine davon sprach sehr gutes Englisch! Das ist im Permer Alltag so selten wie georgischer Wein!

Sie übersetzte meinen Wunsch der Bedienung, die für Wein zuständig war, und überwachte vorsorglich noch das Wein-Einschenken, so daß mit dem georgischen Wein alles seine Richtigkeit hatte!

Der Wein schmeckte mir gut, und ich fand die "englische" Umgebung sehr angenehm.

So ging ich nach ein paar Tagen wieder zu "Southern Fried Chicken".

Diesmal hatte ich meine Kamera mitgenommen, um diese 110%-ige Londoner Dekoration inmitten von "Sibirien" zu dokumentieren.

Und ich machte auch - mit ihrer Erlaubnis - ein Bild von der englisch-sprachigen Assistentin. Es war ein großer Zufall, daß sie gerade an diesem Tag wieder da war, wie sie mir später sagte.

Dann fragte ich, ob ich ihr das Bild schicken könnte, wenn es gut geworden sei.

Sie sagte "I would be glad - ich würde mich freuen!"

Und sie schrieb mir ihre Adresse in schönen großen kyrillischen Blockbuchstaben auf, so, wie ich sie dann gut lesen kann.

Nun, ich lese Kyrillisch etwa wie ein Erstklässler. Ich hangle mich so von Buchstabe zu Buchstabe.

Aber wenn ich das Wort kenne, kann ich es schon rauskriegen.

Und meine Briefe nach Rußland beschrifte ich immer Kyrillisch.

Und zeige sie dann gern jemanden, der sie im Kreis rumdreht, um das zu lesen!

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Noch etwas zum langsamen Lesen von Kyrillisch.

Sehr oft habe ich dabei ein Erfolgs-Erlebnis ganz eigener Art.

Wenn ich das Wort entziffert habe, stelle ich fest: Es ist ja ein deutsches Wort!

Denn früher hat die russische Sprache sehr viele Wörter aus dem Deutschen entlehnt.

Ich nenne mal ein paar:

Sandwich = Buterbrot (nur ein t)

Maßstab = Maßstab

Krawatte = Galstuch (Das H wird durch G ersetzt)

Friseur = Peruckmacher

...und noch etliche andere ....

Das erinnert mich:

Als ich mit der Lufthansa von Frankfurt/Main nach Perm geflogen bin, wurde aus der Lufthansa im russischen Teil der Ansage auf einmal die "Luftgansa"

Und später dann bin ich mal mit einem Schiff neckar-aufwärts von Geidelberg nach Geilbronn gefahren!

Nun aber wieder zu Larissa:


Als ich dann in Deutschland war, schickte ich Larissa ihr eigenes Bild, das recht gut geworden war, in ihre Heimat Tschernuschka.

Zusammen mit ein paar anderen Bildern von "Southern Fried Chicken.

Und dann hörte ich lange nichts ....

Ich vermutete schon, daß der Brief gestohlen worden sei.

Das ist in Russland nicht ungewöhnlich, denn in Briefen aus dm Westen vermutet man immer Geld. Und wenn dann keins drin, dann ist der Brief dennoch weg.

BTW: In letzte Zeit werden mehr und mehr auch in Deutschland Briefe gestohlen, leider!

Doch hier hatte ich Glück: Nach einiger Zeit (Briefe aus Russland können bis zu einem halben Jahr unterwegs sein!) kam ein längerer Brief von Larissa bei mir an - mit einer überraschenden und rührenden Information!

Nun, einmal bedankte sie sich sehr für die Bilder.

Doch, was für mich überraschend war, das war dies:

Sie sagte, ich sei der erste Ausländer gewesen, mit dem sie je Englisch gesprochen hatte. Sonst war es nur an der Universität, wo sie während des Unterrichts diese Sprache verwendete.

In ihrem Restaurant könne sonst auch niemand Englisch, und ihre Kolleginnen hätten sie bestaunt, als sie Englisch mit mir sprach. Und jetzt sei sie dort sozusagen die Spezialistin für englisch-sprachige Kunden.

Und dann noch etwas: Sie schrieb, daß sie auch Deutsch studiere und sehr an Deutschland interessiert sei.

Doch das habe sie damals nicht sagen wollen, weil ihre Deutsch-Kenntnissse so gering seien. Das fand ich nun geradezu rührend ...

Auf den ersten Brief kamen dann weitere ... und wir telefonierten auch.

Es schien mir immer wie ein exotisches Abenteuer, mit jemand in Fast-Sibirien zu telefonieren.

Schließlich lud ich Larissa ein, doch mal zu uns nach Deutschland zu kommen.

Larissa nahm die Einladung an.

Nun galt es, ein Visum zu beschaffen.

Und damit begann ein echtes Abenteuer, das in der "Frust-Ecke" eines anderen Forums über Monate hinweg die Seiten füllte!

Doch mit Happy End!

Dazu hier mal eine kleine politische Anmerkung:

Wie es sich jetzt herausstellt, war der Weg für schwerkriminelle Ukrainer und Mafia-Leute, die nach Deutschland wollten, weit offen!

Aber für eine russische Studentin mit den Fächern Englisch und Deutsch, die aus ehrlichem Interesse an Deutschland gern mal 14 Tage das Land besuchen wollte - mit 100%-iger Garantie, danach wieder nach Rußland zurück-zukehren - galt das nicht!

Ihr hat man soviel Knüppel zwischen die Beine geworfen, wie man konnte.

Ich war mal drauf und dran, wegen dem "Fall Larissa" an den damaligen Außenminister Fischer zu schreiben.

Im Kopf war der Brief schon fertig.

Aber ich hab mir gedacht: "Was solls? Er liest ihn ja doch nicht! Schad ums Porto und die Zeit!"

Demnächst möchte ich hier nun weitererzählen:

1. Wie Larissa schließlich nach einigen Irringen und Wirrungen nach Deutschland kam und mich besuchen konnte

2. Wie die Zeit hier verlief

Es geht weiter:

Voraussetzung für eine Visum nach Deutschland ist im Falle Russland erst einmal eine sogenannte "Einladung".

Das heißt, dass man sich als Einladender gegenüber den deutschen Behörden schriftlich verpflichtet, für den Lebensunterhalt des Eingeladenen hier aufzukommen und auch für alles verantwortlich gemacht werden kann, das der Gast so anstellen mag.

Dieses Stück Papier mit Bestätigung einer Karlsruher Behörde bekam ich problemlos.

Schwieriger war es, dieses Dokument sicher nach Perm zu bringen.

Denn nach meiner Erfahrung wurden damals etwa 50 Prozent der Briefe geklaut!

Ich hatte leider die berechtigte Befürchtung, dass auch Einschreiben geklaut würden!

So wandte ich mich an einen privaten Kurierdienst.

Und da sah es so aus:

Ein Brief kostete sage und schreibe SECHZIG Euro, aber ohne Zustell-Garantie!

In dieser Zeit riet mir jemand, mich mit meinem Problem ans Auswärtige Amt in Berlin zu wenden.

Die wüßten sicher einen Ausweg und eine Lösung für mein Problem-

Frohgemut rief ich das Auswärtige Amt an.

Ein Herr Weiser meldete sich.

Es begann eine denkwürdige Unterhaltung ......

Lange Zeit wollte ich deswegen an den damaligen Außenminister Joschka Fischer schreiben, nur um ihm zu sagen, dass er da wohl noch ein Fossil aus den Tagen von Kaiser Wilhelm II beschäftigt.

Aber ich hab es gelassen.

Denn es hätte wohl doch nichts gebracht ....

Später erzähl ich dann, wie die Unterhaltung lief .....

JETZT geht es weiter!


Hier nun die Unterhaltung mit Hern Weiser im AA (Auswärtigem Amt).

Ich hatte gedacht, dort seien Diplomaten, die besonders diplomatisch sind. )

Doch das Gegenteil ist wohl der Fall.

Dieser Herr Weiser schlug von Anfang an einen genervt-gelangweilten Ton an.

Ich schilderte ihm kurz mein Problem, dass ich nicht wußte, wie ich dieses Dokument der schriftlichen Einladung nach Perm bringen könnte.


Weiser: "Tja, diese 65 Euro Porto werden Sie schon zahlen müsse! Die kann ich Ihnen nicht schicken!"

Eine beleidigende Unterstellung! Ich hatte nicht als Bittsteller um Geld nachgefragt, sondern um eine Auskunft, einen guten Rat.

Geradezu schadenfroh fügte er hinzu:

"Na, dann wird es mit dem Besuch nichts werden!"

Und als ich sagte, ich habe gehört, das AA könnte in solchen Fällen irgendwie helfen, da lachte er nur laut und höhnisch auf: "Ha! Da hätten wir viel zu tun!"

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Ich meine, das ist nicht der Ton, den ein Beamter gegenüber einem ratsuchenden Bürger anschlagen sollte .....

Ich fand einen anderen Weg, den Brief nach Perm zu bringen. :)

Zufällig erfuhr ich, dass in den nächsten Tagen ein Russlanddeutscher von Berlin aus nach Perm fliegen würde.

Er erklärte sich bereit, das Visum mitzunehmen, und im Hause der Wiedergeburt" für Larissa zu hinterlegen.

So geschah es.

Und bald hatte Larissa das Visum in Händen. :)

Doch mit einem kleinen Detail in diesem Visum war sie nicht glücklich ....